Teilprojekte
Teilprojekt Gesetzesvollzug: Effizienter und identitätsfördernder Gesetzesvollzug in der Verwaltung einer Mittelstadt
Verwaltungsdienstleistungen werden durch rechtliche Vorschriften spezifiziert. Der Gesetzgeber erlässt Rechtsnormen, um Dienstleistungen zu definieren, die anschließend von der öffentlichen Verwaltung erbracht werden. Viele der ausführenden Behörden analysieren individuell Gesetzes-texte, um deren Implikationen für ihr Verwaltungshandeln abzuleiten, bspw. zur Ermittlung erfor-derlicher Formularfelder und zur Gestaltung der internen Prozesse. Hierdurch entstehen redundante Aufwände, die sich gerade Mittelstädte aufgrund ihrer limitierten finanziellen Möglichkeiten weniger leisten können als große Städte. Außerdem müssen Mittelstädte auf der einen Seite die zentralen Vorgaben umsetzen, auf der anderen Seite möchten sie ihre Identität, Individualität und Eigenständigkeit wahren und hervorheben. Mittelstädte verfügen über einen ausgeprägten Lokalpatriotismus, haben aber oft nicht die finanziellen Mittel, um über Marketingaktivitäten die eigene Identität zu stärken. Hier ist die Agency einer Stadt angesprochen, sich als regionaler Akteur zu positionieren, mithin seine Capabalities unter Beweis zu stellen. Die ressourcenschonende Akzentuierung ihrer lokalen Identität ist gerade für Mittelstädte von essentieller Bedeutung. Deshalb entwickelt das Teilprojekt „Gesetzesvollzug“ eine semi-automatische Methode, die mithilfe von Referenzmodellen den Gesetzesvollzug in öffentlichen Verwaltungen so unterstützt und vereinfacht, dass redundante Arbeitsaufwände reduziert und gleichzeitig die lokale Identität und Eigenlogik einer Mittelstadt gestärkt werden. Dieses Teilprojekt verwendet einen gestaltungsorientierten Ansatz, der wie in der Wirtschaftsinformatik üblich die Phasen Analyse, Design (Konzept und Demonstrator), Evaluation und Diffusion durchläuft.
Teilprojekt Energie: Regionale Energie und Nachhaltigkeit
Das Teilprojekt „Regionale Energie und Nachhaltig“ entwickelt eine Strategie für Mittelstädte zur Nutzung digitaler Technologien, durch die sie den Einsatz erneuerbarer Energien, nachhaltiges Verhalten und den Ausbau nachhaltiger Energieerzeugung in der Region fördern können. Es wird dabei erforscht, ob gezielte Informationen, Gamification-Ansätze und eine positiv motivierende Ansprache die Nutzung von regionaler Energie und die Unterstützung des Ausbaus erneuerbarer Energien in Mittelstädten und ihrer Umgebung fördern können. In Anbetracht eines stagnierenden Ausbaus von Windkraftanlagen an Land, welcher auch auf örtliche Widerstände gegen den Anlagenbau zurückzuführen ist, spielt eine Förderung der Akzeptanz und der aktiven Teilhabe eine elementare Rolle. Entsprechend sollen in diesem Teilprojekt mögliche Barrieren rund um das Thema nachhaltige Stromnachfrage und den regionalen Ausbau erneuerbarer Energien umfassend untersucht werden. Mittelstädte stehen im Fokus der Betrachtungen, da sie und ihre Umgebung aufgrund der oftmals guten Bedingungen für den Ausbau von Windkraft- und großflächigen Photovoltaikanlagen besonders in Frage kommen. Einerseits soll besser verstanden werden, unter welchen Rahmenbedingungen regionale, nachhaltige Energie von Bewohner*innen als besonders unterstützenswert empfunden wird. Zum anderen sollen Faktoren identifiziert werden, durch die die Regionen und ihre Bewohner*innen vermehrt das gemeinsame Ziel ‚Nachhaltigkeit‘ unterstützen. Dabei werden auch die Zusatznutzen für Mittelstädte, also die positiven Effekte und Potentiale von nachhaltigem Verhalten und der Förderung erneuerbarer Energien für die Regionen fokussiert. Diese Zusatznutzen können zum Beispiel zur regionalen Entwicklung von Mittelstädten beitragen und die Attraktivität der Standorte sowohl aus Sicht der Industrie als auch aus Sicht der Bevölkerung erhöhen.
Teilprojekt IT-Sicherheit: Security Orchestration, Automation and Response als Sicherheitsstrategie der mittelstädtischen Digitalisierung
Die Digitalisierung stellt für Mittelstädte eine zweifache Herausforderung dar: Zum einen soll Büger*innen digitaler Zugang zu städtischen Diensten ermöglicht werden und Abläufe innerhalb der Stadt auf digitalen Wegen abgewickelt werden, zum anderen sind außerhalb von Metropolregionen die Ressourcen zur Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben knapp. In dieser Spannung nimmt die Sicherheit der städtischen IT eine wesentliche Rolle ein, denn digitale Systeme müssen gegen Sicherheitsvorfälle geschützt sein und Bürger*innen müssen den städtischen Systemen Vertrauen entgegenbringen, um sie zu nutzen. Das Paradigma der Security Orchestration, Automation and Response (SOAR) bietet für Mittelstädte das Potential, Sicherheitsbedrohungen städtischer IT mit einer klaren Strategie sowie einem hohen Grad an Automatisierung entgegenzutreten und die knappen Ressourcen effektiv einzusetzen, z.B. im Falle von Cyberattacken oder Malware-Infektionen. Hierbei werden verstärkt Techniken des maschinellen Lernens eingesetzt, um die Infrastruktur zu schützen und Vorfälle zu erkennen. Doch die spezifischen Anforderungen und Umsetzungsmöglichkeiten für die Digitalisierung von Mittelstädten ist noch weitgehend unerforscht. Dieses Teilprojekt ist darauf ausgerichtet, diese Forschungslücke zu schließen, indem es konkret die Bedrohungslage für städtische IT-Infrastruktur ergründet, Methoden zur Erfassung gefährdeter und kritischer Systeme schafft und eine SOAR-Strategie für Mittelstädte entwickelt. Diese Strategie beinhaltet KI-gestützte Automatisierung durch maschinelles Lernen sowie Reaktionspläne für mögliche Sicherheitsvorfälle. Während sich Teile vorheriger SOAR-Strategien, etwa aus dem Logistik-Sektor, übertragen lassen, bedürfen Mittelstädte aufgrund ihrer von Unternehmen unterschiedlicher Struktur eigene, angepasste Mechanismen der IT-Sicherheit. Das Teilprojekt wird diese schließlich in einer städtischen SOAR-Plattform darstellen, um potentielle Angriffsziele sichtbar zu machen und schnelle Reaktionen unter knapper Ressourcenverfügbarkeit zu ermöglichen. Zudem gilt es, das Vertrauen in städtische IT-Systeme zu stärken und die durch SOAR erlangte Sicherheit für Verwaltungsangestellte und Bürger*innen gleichermaßen zu verdeutlichen. Das Teilprojekt leistet durch die Erforschung von SOAR-Methoden einen eigenen Beitrag zur IT-Sicherheit von Mittelstädten und integriert sich gleichzeitig in den Kontext des Gesamtprojekts, durch gemeinsame Arbeiten zur Energieinfrastruktur und städtischen Verwaltung, sowie durch Erkenntnisgewinn zu Vertrauen und Kompetenzen im Umgang mit IT-Sicherheit.
Teilprojekt Vertrauen: Vertrauensmanagement in der Digitalen Mittelstadt
Etwa 80% aller Verwaltungsleistungen werden in Deutschland auf kommunaler Ebene erbracht und mit der Verabschiedung des Onlinezugangsgesetzes wird die digitale Bereitstellung von 575 Verwaltungsleistungen über alle föderalen Ebenen hinweg zur Pflicht. Bundesweit bevorzugen Bürger*innen aber immer noch den persönlichen Gang ins Amt. Insbesondere kleinere Kommunen stehen vor der Herausforderung, kostspielige Online-Angebote zu schaffen, die aber nur wenig genutzt werden. Oft wird hier auf die Bedeutung der Vertrauensbeziehung zwischen Bürger*innen und Verwaltungen hingewiesen. Über eine Vielzahl von Studien hinweg zeichnet sich eine positive Wirkung von Vertrauen auf Nutzungsbereitschaft und Nutzung ab. Gerade Mittelstädte können davon profitieren, dass ihnen tendenziell hohes Vertrauen entgegengebracht wird. Dies liegt etwa an der räumlichen Nähe, die eine genauere Evaluation politisch-administrativer Prozesse aus Bürger*innensicht erlaubt, politische Entscheidungen aber auch direkt erlebbar macht. Das Vertrauen von Bürger*innen in lokale Verwaltung kann also als besonderes Asset von Mittelstädten betrachtet werden. Die zunehmend digitale Vermittlung von Kontakten der Bürger*innen zu ihren Verwaltungen verändert aber das Vertrauensverhältnis und macht zunehmend die technische Infrastruktur zu einem Akteur, dem Vertrauen entgegengebracht wird oder der Vertrauen zwischen Verwaltung und Bürger*innen mediiert. Zudem steht die Wahrung der digitalen Souveränität der Bürger*innen immer häufiger in einem Spannungsverhältnis zu den Digitalisierungsmaßnahmen von Verwaltungen und kann sich ebenfalls auf bestehende Vertrauensbeziehungen auswirken. Das Projekt untersucht vor diesem Hintergrund, wie sich bestehende Vertrauensbeziehungen verändern und welche neuen Vertrauensbeziehungen in Mittelstädten durch die zunehmende Verwaltungsdigitalisierung entstehen? Außerdem wird ein Tool konzeptualisiert, dass das strategische Management von Vertrauensbeziehungen in Mittelstädten unterstützt und die Wahrung wirtschaftlicher Interessen der öffentlichen Verwaltung einerseits und die Wahrung der digitalen Souveränität von Bürger*innen andererseits ausbalanciert und unterstützt.
Teilprojekt Bildung: Bildungsinfrastrukturen in der Mittelstadt
Das Teilprojekt Bildungsinfrastrukturen untersucht die Rolle von digitalen Bildungsinfrastrukturen in der Unterstützung und Komplementierung eines vollwertigen Bildungsangebotes vor Ort und erforscht die Potentiale und Grenzen von Digitalisierung in der mittelstädtischen Bildungsinfrastruktur. Den Hintergrund des Projekts stellt die Beobachtung dar, dass in deutschen Mittelstädten die Lebenschancen und Opportunitätsstrukturen junger Menschen einerseits durch den Zugang zu Bildung, andererseits durch bildungspolitische Maßnahmen der digitalen Steuerung bestimmt werden. Das Teilprojekt rückt dagegen die Zugänglichkeit von Bildung, d.h. die subjektiv wahrgenommene Zugänglichkeit des Bildungssystems und der Möglichkeiten, Bildungsentscheidungen individuell mitzubestimmen und ggfs. getroffene Entscheidungen zu ändern, in den Mittelpunkt. Die Partner erforschen in einer transdisziplinären Zusammenarbeit, welche schulischen, außerschulischen, formalen und non-formalen Angebote in den Mittelstädten zur Verfügung stehen und welche Kooperations- und Kommunikationsstrukturen (Wege, Anlässe, Interaktionen) zwischen den Akteuren bestehen, um die für die Bildungslandschaft charakteristische ‚Versäulung‘ zu überwinden und optimale Lebens- und Bildungschancen zu ermöglichen. Dabei werden qualitative und quantitative Methoden in kontrastierenden Fallstudien genutzt. Aufgeteilt in fünf Arbeitspakete rekonstruiert das Teilprojekt mithilfe von Dokumentenanalysen zunächst die institutionellen Infrastrukturen des schulischen und außerschulischen Bildungssektors gewählter Mittelstädte. Im zweiten Schritt werden mittels Experteninterviews die in Prozessen und Interaktionen zum Vorschein tretenden Rationalitäten, Praktiken und Handlungsoptionen der Akteure erhoben. Anschließend werden anhand einer web-basierten Expertenumfrage Kompetenzen, Bedarfe und Bedürfnisse seitens der Bildungspolitik und -praxis untersucht. Der Erkenntnis- und Gestaltungsorientierung der Forschungsgruppe folgend fragt das Teilprojekt ebenfalls nach Möglichkeiten der Etablierung/effiziente Nutzung digitaler Infrastrukturen in den Mittelstädten. Im Einklang mit dem Gesamtkonzept der Forschungsgruppe untersucht das Teilprojekt, wie die Digitalisierung im Bildungsbereich die Liveability der Mittelstädte erhält und stärkt, wie Digitalisierungsprozesse die Capabilities relevanter Akteure prägen, wie sie nachhaltig auf Bildungsstrukturen, -netzwerke und -prozesse wirken, und welche Bedarfe und Bedürfnisse dadurch sichtbar und/oder problematisch werden. Indem Mittelstädte als Reallabore in den Forschungsprozess aktiv miteinbezogen werden, wird anhand der ermittelten Kenntnisse erforscht, wie die existierenden Rationalitäten, Praktiken und Akteurs-Konstellationen durch digitale Transformationsprozesse umgedeutet und neu justiert werden (können), sodass das Teilprojekt im Endergebnis Lösungsvorschläge in Form von Policy-Instrumenten, Empfehlungen, Datensets und Reflexions-Tools erarbeiten kann.
Teilprojekt Kompetenzen: E-Kompetenzen und E-Kompetenzvermittlung für die Mittelstadtverwaltung
Föderale Strukturen, komplexe Gesetze und Vorschriften sowie eine Vielzahl an beteiligten Akteur*innen machen die Verwaltungsdigitalisierung insbesondere in Deutschland zu einer großen Herausforderung. Dabei erweist sich die E-Government-Kompetenz (E-Kompetenz) der Mitarbeiter*innen im öffentlichen Sektor als ein entscheidender Erfolgsfaktor für das Gelingen von Digitalisierungsprojekten und der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung insgesamt. Bisherige Forschung zu E-Kompetenzen, insbesondere die Rahmenwerke, und E-Kompetenzvermittlung, u.a. der eGov-Campus, bieten einen begrenzten Mehrwert für die spezifischen Herausforderungen in Mittelstädten. Einerseits ist es für Mittelstädte erforderlich, dass die lokalen Strukturen und Verwaltungsaufgaben bei der Definition von Kompetenzbedarfen berücksichtigt werden. Andererseits bedarf es angepasster Vermittlungsstrategien, um die Verwaltungsmitarbeiter*innen mit den entsprechenden Kompetenzen auszustatten und kontinuierlich weiterzubilden. Das Teilprojekt „E-Kompetenzen und E-Kompetenzvermittlung für die Mittelstadtverwaltung“ („Kompetenzen“) innerhalb der Forschungsgruppe „Die digitale Mittelstadt der Zukunft“ entwickelt ein konfigurierbares Referenzmodell, das für alle Rollen in Mittelstadtverwaltungen die notwendigen E-Kompetenzen und, abhängig von Mittelstadt-Kriterien, prototypische Rollen-Kompetenzprofile aufweist, damit die Verwaltungen intern und an der Schnittstelle zu Bürger*innen und Unternehmen den Digital-Anforderungen zur Erbringung kundengerechter Services gewachsen sind. Darüber hinaus widmet sich das Teilprojekt auch der Frage, wie Verwaltungsmitarbeiter*innen diese E-Kompetenzen erfolgreich erwerben können. Mit dem Teilprojekt kann somit eine Steigerung der E-Kompetenz einer Mittelstadt in Gänze erreicht werden, sodass die Möglichkeiten der Digitalisierung für effizientere Prozesse und bürgerfreundlichere Dienstleistungen ausgeschöpft werden. Dies trägt in mehrfacher Hinsicht zur Liveability einer Mittelstadt bei. Bürger*innen und Unternehmen müssen weniger Zeit für die Beantragung und Nutzung von Verwaltungsleistungen aufbringen. Sie nehmen die öffentliche Verwaltung als digital kompetent wahr, was in einem Vertrauenszuwachs münden kann. Ebenso können Einsparungen aufgrund gesteigerter Effizienz in Güter mit höherem Wohlfahrtsbeitrag, wie beispielsweise Bildung, Kultur und Sport, investiert werden. Da auch Mittelstädte in ihrer Struktur und Leistungserbringung nicht homogen sind, muss das rollenspezifische E-Kompetenz-Leistungsbündel kriterienabhängig für konkrete Mittelstände gebildet werden. Dazu ist es notwendig, das zu entwickelnde Referenzmodell konfigurierbar, also den Kriterien gemäß adaptierbar zu machen. Das Referenzmodell umfasst mittelstadtspezifisch Aufgaben, Rollen, Daten und Prozesse sowie adäquate Vermittlungstechniken zur effizienten Erbringung stakeholderfreundlicher Services.